Eine Diskussion, die mich schockierte

6. März 2024 0 Von Lalalauramina

Eine Diskussion, die mich schockierte

Das geht ja gar nicht, ich greif da gleich ein und nehm dem Typen die Peitsche weg. Die arme Frau.

Letztes Jahr im Herbst war ich auf der Bondage-Fetish-World Messe in Hofheim. Kann ich euch übrigens nur sehr empfehlen. Wirklich cool zum Shoppen. Die Messe ist am kommenden Wochenende wieder. (8. – 10. März)

Wie jedes Jahr verbrachte ich viel Zeit beim wunderbaren Dino Sadino am Stand. Dino ist nicht nur ein guter Freund, er verkauft auch noch ziemlich coole Sachen und bei ihm am Stand herrscht immer gute Laune.

Folgende Situation ist mir auf der Messe passiert:

In der Mitte von Dino’s Messestandes steht ein Bock, über den man eine Person beugen kann. So kann man das Schlagwerkzeug ausprobieren, welches man bei ihm kaufen kann.

Als gerade eine wunderschöne Frau breit grinsend darüber liegt und ihr Partner ihr den Arsch versohlt, bekomme ich eine Diskussion mit, die ein paar Meter weiter stattfindet. Eine Dame, die intensiv mit diskutiert, ruft mich dazu. Wir kennen uns aus der Grande Opera und sie bittet mich, der Frau mit der sie diskutiert aus meiner Sicht zu erklären, was Menschen an Spanking gefällt. Denn ihre Haltung ist sehr ablehnend und verständnislos.

Die Situation macht mich wütend.

Auf einer Messe, die bereits Bondage und Fetisch im Namen trägt, steht jemand herum und schaut bei einer (aus meiner Sicht sehr schönen) Session zu und erlaubt sich ein Urteil. Und zwar ein extrem negatives.

Die Session, die wir beobachten durften

Sie gibt Laute von sich, die Schmerz ausdrücken. Stöhnt, geht nach dem ein oder anderen Schlag in die Knie. Ihr Arsch ist rot und man sieht die Striemen des Paddles deutlich auf ihrer Haut.

Wohlgemerkt steht die Zuschauerin der Session so, dass sie nur die Rückseite sieht. Meiner Aufforderung doch bitte mal die Seite zu wechseln und der Person auf dem Bock ins Gesicht sehen, kommt sie leider nicht nach.

Die Interaktion zwischen dem spielenden Pärchen ist liebevoll. Die Schläge hart, aber er streichelt sie zwischendurch, erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden und sie genießt es sichtlich. Das Grinsen in ihrem Gesicht könnte breiter nicht sein.

Ich hatte mich bevor er anfing sie zu schlagen schon mit den Beiden unterhalten und hatte sie auch in der Vergangenheit schon einmal miteinander spielen sehen.

In der Vergangenheit habe ich sehr viele Menschen im BDSM-Kontext miteinander beobachten können und die zwei wirkten unheimlich harmonisch. Intim und liebevoll im Umgang. Er ist ihr Gegenstück. Genießt es ihr den Schmerz zuzufügen, den sie unbedingt spüren möchte.

Die Reaktion der Zuschauerin

„Ich will dem Typen das Teil aus der Hand nehmen und ihn damit schlagen. Ich muss da eingreifen.“

„NEIN! Das musst du nicht. Das solltest du definitiv nicht. Wenn du da eingreifst, ruinierst du beiden Personen das Spiel.“

Wann sollte man in ein Spiel eingreifen?

Ich habe dazu eine relativ klare Meinung. In diesem Fall wäre es einfach nur unhöflich gewesen, einzuschreiten. Es gab schlichtweg keinen Grund dafür.

Es gibt für mich prinzipiell ein paar Gründe, wieso ich persönlich in ein Spiel eingreifen würde.

Das Spiel, welches gespielt wird erscheint mir nicht sicher. Ich habe das Gefühl der aktive Part hat keine Ahnung davon was er tut o.Ä.

Das heißt, wenn ich z.B. sehe, dass jemand seinem Gegenüber auf die Nierengegend schlägt, oder im Halbdunklen Nadelspiele treibt, dann würde ich keineswegs zögern sofort etwas zu sagen.

Der passiven Person scheint es nicht gut zu gehen und der aktive Part nimmt das nicht wahr.

Wenn ich als Zuschauer das Gefühl habe, dass die passive Person z.B. gerade kurz davor ist ohnmächtig zu werden, weil sie mit einer Fesselung über Kopf körperlich nicht klar kommt o.Ä.. Wenn ich das Gefühl habe, dass der aktive Part nicht aufmerksam ist oder gerade am anderen Ende des Körpers zu Gange, eventuell ist ein Knebel im Spiel und die Person kann sich selbst nicht artikulieren, dann schreite ich ein. Heißt: ich spreche ihn dezent auf meine Wahrnehmung an. In solchen Situationen würde ich als aktive Person auch wollen, dass man mich darauf hinweist. 

Ich stelle die Einvernehmlichkeit einer Situation in Frage, habe das Gefühl eine Person ist nicht bei Sinnen, weil z.B. Alkohol oder Drogen im Spiel sind.

Diskussionsfrei, dass man in dieser Situation jederzeit eingreifen sollte. Und ganz klar möchte ich mich in diesem Kontext mit der passiven Person unterhalten und ihre Sicht hören. Und zwar unter vier Augen, nicht wenn der dominante Part nebendran steht und durch Blicke oder bloße Anwesenheit Druck machen könnte.

Was gefällt einem Menschen an Schmerz oder daran, jemandem Schmerzen zuzufügen?

Ich switche. Das heißt in meinem Fall, dass ich sowohl eine masochistische als auch eine sadistische Seite habe. Ich kann nachvollziehen, was in seinem Kopf vorgeht während er seine Partnerin quält. Und ich kann nachempfinden, wie sie den Schmerz genießt und sich ihm hingibt.

Die masochistische Seite kann ich besser erklären, zumal ich mir kurz vor der Frau auf dem Bock auch den Hintern versohlen lassen habe. Und in der Diskussion ging es mir eher darum zu erklären, wieso diese Situation einvernehmlich ist und die Frau exakt das will, was ihr Partner gerade mit ihr macht.

Masochismus heißt für mich, den Kopf auszuschalten.

Schmerz kann einer masochistischen Person Lust bereiten, der Körper reagiert darauf unmittelbar. Wenn Masochismus mit einer devoten Seite einhergeht kann auch der Aspekt mit einspielen, sich zu überwinden. Schmerz für den Dom „einzustecken“. Den Partner stolz zu machen.

Bei mir ist das z.B. situationsabhängig ob ich bloßem Schmerz etwas abgewinnen kann. Meine devote Seite ist enorm ausgeprägt. Aber ich kenne Menschen, die auch ohne Machtgefälle einfach den Schmerz genießen. Das heißt, die Person die sie schlägt, muss nicht zwingend dominant sein. Schmerz erregt sie.

Erklär doch mal in einem „normalen“ Umfeld, dass du sadistisch oder masochistisch bist

Als Mann unter „Stinos“ (Stink-Normalen) zu sagen, dass man gern Frauen schlägt (natürlich wenn sie darauf stehen, aber diesen Teil hört sowieso niemand mehr), polarisiert schon extrem. Als Frau zu sagen, dass du in einem sexuellen Kontext gern PartnerInnen quälst ist durchaus die gesellschaftsfähigere Aussage.

Wobei auch als Frau zu sagen, dass du dich gerne einem Mann unterordnest, kann schon einmal zu Diskussionen führen. Oft genug wurde mir unterstellt, nicht feministisch zu sein und all die Gleichberechtigung zu ruinieren, für die Frauen vor mir Jahrzehnte gekämpft haben, weil ich mich in der devoten und masochistischen Rolle wohl fühle.

Meiner Meinung nach ist es die freieste Entscheidung, die ich treffen kann, wenn ich mich jemandem unterordne. Denn am Ende entscheidet nicht er, wie weit er mit mir geht, sondern ich. Denn der Bottom steckt mit seinen Limits immer den Rahmen ab, in dem sich der Dom bewegen darf.

MASOCHISTISCH = Lustgewinn durch Schmerz

DEVOT = unterwürfig, demütig (hier geht es eher um die Abgabe von Macht, Befehle zu bekommen usw.)

Die Diskussion auf der Messe

Besagte Dame hackte wirklich bösartig auf dem dominanten Herren herum. Es fielen sogar Worte wie „Polizei“ und „Straftat“, wo mir zeitweise fast der Kragen platzte. Am Ende gaben wir es auf ihr zu erklären, wie die Situation einzuordnen wäre. Das Pärchen war fertig mit ihrer Session und unsere Diskussionspartnerin beruhigte sich ein wenig als sie beobachten konnte wie liebevoll der Dom seine Sub auffing und wie sie ihn in seinen Armen liegend anhimmelte.

Ich war froh als die Dame weiterzog und die Diskussion beendet war.

Absurder Weise machte ich später am Tag die Dresscodekontrolle an der Tür der Grande Opera und exakt diese Frau stand plötzlich vor mir. Ich war wirklich überrascht und erklärte ihr direkt zu Beginn, noch bevor sie den Laden betreten hatte, dass bei uns aber BDSM gern gesehen und gelebt wird und es durchaus nicht unwahrscheinlich ist, dass sie Situationen mitbekommt, in denen Machtgefälle und Schmerz eine Rolle spielt. Sie erklärte mir etwas genant, dass sie sich an diese Thematik wohl erst mal gewöhnen müsse und mir verspricht sich nirgends einzumischen.

Man glaubt es kaum – ich habe sie nach der Veranstaltung nicht noch mal wieder gesehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es schlichtweg nicht ihre Welt war. Aber dennoch war ich einfach schockiert darüber, wie hart man über etwas urteilt, das man nicht versteht.

Ich bin einfach dankbar dafür, dass die Szene in der ich mich bewege, diese kinky Welt, allgemein ein so offener und toleranter Ort ist und auch Spielarten akzeptiert werden, die man selbst nicht nachvollziehen kann.

Frei nach dem Motto „Jedem Tierchen sein Pläsierchen.“

Solang es die Menschen glücklich macht, die das Spiel miteinander teilen.

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