SSC, RACK, TICK

17. Juni 2024 2 Von Lalalauramina

Vor kurzem las ich in einem Joyclub Profil eine Abkürzung, die mir bis dato unbekannt war. Passiert nicht allzu oft, aber dennoch kommt es vor.

Also begann ich zu recherchieren. Das tue ich immer, wenn ich etwas nicht weiß. Erst einmal Google befragen. Leider findet man zu dieser Abkürzung nicht viel im Netz. Aber die Gedankengänge, die ich beim Lesen der Abkürzung hatte, möchte ich dennoch mit euch teilen.

Ich möchte in diesem Beitrag kurz über das Thema Consent, zu Deutsch Einvernehmen schreiben und auch euch einen kleinen Denkanstoß mitgeben.

SSC – Safe, Sane, Consensual

„Sicher, vernünftig und einvernehmlich“ ist ein etwas älteres Prinzip im BDSM-Bereich. Heutzutage ist man zu RACK übergegangen. Hier werden auch Spielarten eingeschlossen, die nicht unbedingt als „sicher“ bezeichnet werden können. In diese Kategorie gehören z.B. Tunnelspiele wie Spiele mit Ingwer oder auch verbale Demütigungen, deren Wirkungen man vor einer Session nicht zu 100% vorher sehen kann. Sicher ist ein Spiel ja im Grunde nur, wenn man den Ausgang bereits kennt. In diesem Sinne sind also nicht alle Spielarten „sicher“.

RACK – Risk Aware Consensual Kink

Risikobewusst und einvernehmlich wiederum ist meines Erachtens nach passender. Risikobewusst entscheiden zwei Spielpartner z.B. Atemkontrolle zu praktizieren, nachdem sich beide mit der Thematik auseinander gesetzt haben. Man informiert sich ausgiebig. Nur so kann man sich der Risiken bewusst sein und entsprechend die Entscheidung fällen, dass man diese Praktik gemeinsam ausprobieren möchte.

Das Szenario Rape Play

Nehmen wir mal an eine Frau erzählt ihrem Spielpartner, dass sie das Szenario von Rape Play reizvoll findet. Überwältigungsfantasien sind weit verbreitet und für viele Menschen in der Szene selbstverständlich. Doch wie selbstverständlich ist an dieser Stelle ein Gespräch über sexuellen Missbrauch? Für Trauma Informed Consensual Kink braucht es absolut offene Kommunikation. Und diese predige ich immer gern wieder.

Bei einem leichten Spanking mag das Risiko nicht so groß sein, bleibenden Schaden in der Seele eines Menschen zu hinterlassen. Doch wenn es um härtere Spielarten geht, finde ich es umso wichtiger, mit offenen Karten zu spielen.

Wir spinnen das Szenario mal weiter. Besagte Frau erzählt ihm davon, dass sie dem Szenario einer Überwältigung und der sexuellen Benutzung durch mehrere Männer in ihrem Kopfkino wahnsinnig viel abgewinnen kann und es eine ihrer liebsten Masturbationsfantasien ist. Er findet die Vorstellung ebenfalls reizvoll. Sie mag es, wenn ihr „Nein“ und „Bitte hör auf“ übergangen wird.

Doch was sie nicht erzählt hat ist, dass sie in ihrer Jugend auf einer Party vergewaltigt wurde.

TICK – Trauma Informed Consensual Kink

„Trauma Informed“ fehlt an dieser Stelle. Für mich ein absolut verantwortungsloses (nicht zu vergessen hypothetisches) Szenario. Nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch ihrem Gegenüber. Denn: der dominante Part übernimmt eine Verantwortung für seine Sub. Ohne alle Fakten zu kennen, kann er keine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen.

Ohne über ihr Trauma informiert zu sein, geht er unwissentlich mit dem Spiel das Risiko ein, ihr zu schaden. Natürlich kann es gut gehen. Vielleicht hat sie ihr Trauma in einer Therapie aufgearbeitet und die schlimmen Erlebnisse hinter sich gelassen. Man kann jetzt sagen, dass die Entscheidung allein ihr überlassen bleibt, ob sie über das Thema sprechen möchte oder nicht. Doch ich finde man darf an dieser Stelle auch nicht vergessen, dass nicht nur das gegenseitige Vertrauen Schaden nehmen kann, wenn ein wichtiger Punkt im Bezug auf eine Spielart unterschlagen wird, sondern auch der dominante Part eine Seele hat, die Schaden nehmen kann. Nicht nur der dominante Part trägt eine Verantwortung. Der submissive Part tut das ebenfalls.

Die Frage „Wurdest du vergewaltigt?“ finde ich im Zusammenhang mit dieser Spielart nicht taktlos, sondern absolut unverzichtbar.

Im erweiterten Sinne kann man sich, ohne über Trauma informiert zu sein, nicht risikobewusst verhalten.

TICK (Trauma Informed Consensual Kink) ist für mich somit eine erweiterte Form von RACK (Risk Aware Consensual Kink).

Die Abkürzung ist gerade im deutschsprachigen Raum nicht sehr verbreitet, doch ich finde die Botschaft, die sie sendet, wirklich gut. Kommunikation ist und bleibt in jeder Hinsicht das absolut Wichtigste.

Consent is not possible without communication.

Gerade bei extremeren Spielarten und bei traumatischen Erlebnissen, die man gemacht hat, sollte man immer offen sprechen. Es gibt Spielarten, bei denen ist es durchaus ratsam, genauer hinzusehen und lieber einmal zu viel nachzufragen.

BDSM darf für mich nicht als Traumabewältigung benutzt werden. (auch wenn Filme wie 50 Shades of Grey das gern suggerieren). Ein Spielpartner ist kein Ersatz für eine Therapie und als dominanter Part hat man auch die Verantwortung, einen Menschen vor sich selbst zu schützen.

Fügt man jemandem Schmerzen zu, sollte man sich sicher sein, dass dieser Mensch die Schmerzen genießt und aus den richtigen Gründen ins Spiel einwilligt. Ein sadistischer Spielpartner sollte nicht der verlängerte Arm zur Selbstverletzung sein.

Neigungsbögen

In der BDSM-Szene ist es weit verbreitet, Neigungen eines Menschen abzufragen um herauszufinden ob man potentiell kompatibel ist. In seinem Profil auf Fetlife z.B. kann man diese sehr detailliert angeben. Ich finde das prinzipiell eine gute Idee um grundliegende Dinge abzustecken. Gerade was die Grenzen und No Go’s angeht. Außerdem sind diese Neigungsbögen eine gute Grundlage für ein Gespräch über diverse Praktiken. Das finde ich persönlich noch viel besser als einfach nur den Bogen auszufüllen.

Wenn es darum geht härtere Spielarten auszutesten und die eigenen Grenzen zu verschieben, ist es meiner Meinung nach wichtig, einander zu kennen. Das heißt inklusive aller vorhandenen Traumata, die in Extremsituationen, und das sind BDSM-Sessions nun einmal, wieder zutage befördert werden könnten.

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